Binge Eating (-Störung)
Die wichtigsten Punkte auf einen Blick und Tipps zum Umgang
“Es ist wie als wärst du in einem Rausch, der immer und immer weiter läuft…”
Wusstest du schon?
Die Binge Eating-Störung (auch Binge Eating Disorder genannt) ist unter den Essstörungen am weitesten verbreitet. Sie betrifft bis zu 4 Prozent der Bevölkerung im Alter von 20 bis 30 Jahren. Außerdem manifestiert sie sich bereits in jungen Jahren (11 bis 17 Jahren) und kann bis zum Erwachsenenalter fortbestehen. Bei Personen mit Adipositas liegt eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von Betroffenen zwischen 15 Prozent und 30 Prozent von Binge Eating vor.
Die typischen Anzeichen für eine Binge Eating Störung umfassen regelmäßige und wiederkehrende Essanfälle. Dabei sind regelmäßige Essattacken ein entscheidendes Merkmal. Von „regelmäßig“ sprechen wir hier, wenn diese über einen Zeitraum von etwa drei Monaten im Durchschnitt mindestens einmal pro Woche auftreten.
Während dieser Episoden essen Betroffene innerhalb kurzer Zeit große Mengen an Lebensmitteln – weit mehr als andere in vergleichbarer Zeit und Situation essen würden. Binge Eating ist in gewissen Ausdrucksformen der Bulimie sehr ähnlich, doch im Gegensatz zur Bulimie erfolgt hier keine Gegenmaßnahme durch das selbstinduziertes Erbrechen.
Wenn Sie selbst betroffen sind, Unsicherheiten verspüren oder jemanden kennen, der unter Binge Eating leidet oder einfach nur mehr über dieses Thema erfahren möchten, dann wird ihnen dieser Artikel bestimmt weiterhelfen.
1. Woran erkenne ich, dass ich von Binge Eating betroffen bin?
Hier ist ein Überblick über mögliche Anzeichen:
- stetige Gedanken kreisen um Essen z.B. wiederholter Gang zum Kühlschrank nur um zu schauen & trotzdem nichts nehmen
- Hinauszögern & ankämpfen gegen den Essensdrang
- Gefühl von Scham, Ekel und Schuld nach dem Essen
- extremes & unangenehmes Vollgefühl nach dem Essen: Magen- und Verdauungsbeschwerden
- Planung der Alltagsaktivitäten rund um die Essanfälle
- Unkontrollierbarer Essanfall: große Mengen an Nahrung in kurzer Zeit essen, oft ohne eigentlich hungrig zu sein
- Verstecktes & heimliches Essen aufgrund der Menge aus Scham oder Schuld: sozialer Rückzug im weiteren Verlauf, vermeiden vor anderen zu essen
- Übermäßiges Reinstopfen & schnelles Essen trotz körperlicher Beschwerden: Auch wenn sie sich unwohl fühlen, können Betroffene nicht aufhören zu essen.
- Gefühl des Kontrollverlusts: Während des Essanfalls haben die Betroffenen oft das Gefühl, dass sie nicht mehr über die Art und Menge der Nahrungsmittel steuern können
- wenig bis gar keine Erinnerung daran, was genau gegessen wurde
Hierbei sind das Essen und das Gewicht jedoch lediglich Symptome. Die zugrundeliegende Ursache ist vielmehr auf der mentalen, emotionalen Ebene.
Gewicht bedeutet nicht immer ein ausschlaggebendes Kriterium, da nicht jeder, der an Binge-Eating leidet, zwangsläufig Übergewicht haben muss – auch Normalgewichtige können von dieser Störung betroffen sein.
Hinweis: Die aufgeführten Punkte basieren auf definierten Kriterien der DSM-5 sowie ICD-10 als auch auf persönlichen Erfahrungen. Wenn nicht alle diese Kriterien auf Sie zutreffen, bedeutet das nicht zwingend, dass Sie keine auffällige Beziehung zum Essen und zu deinem Körper haben. Die Verhaltensweisen, die bei Betroffenen häufig auftreten, können individuell variieren.
Zusätzlich können Betroffene auch verschiedene Kompensationsstrategien anwenden, ähnlich wie bei Bulimie durch Erbrechen, die Verwendung von entwässernden oder abführenden Mitteln oder durch extrem intensive und lange Sporteinheiten. Es gibt auch Fälle, in denen die Ausgleichsmaßnahmen ausbleiben und die Betroffenen oft von Übergewicht oder Adipositas betroffen sind.
Das heißt auch, es kann unter anderem eine Mischform oder eine atypische Essstörung vorliegen. Ähnlich wie es atypische Formen von Anorexie (Magersucht) gibt. In solchen Fällen empfehle ich ihnen, bei Unsicherheit mit jemand anderem über ihre Bedenken zu sprechen. Eine Option wäre, zu einer Beratungsstelle zu gehen. Dadurch erhalten Sie eine zusätzliche Perspektive. Sie können sich ebenfalls gerne an mich wenden, wenn Sie spezielle Fragen dazu haben. Sollten Sie derartige Anzeichen bei Ihnen bemerken, ist es wichtig, dies nicht zu unterschätzen und sie dürfen Unterstützung suchen, da dies auf ein essgestörtes Verhalten und somit einer ernstzunehmenden Krankheit hindeuten könnte.
Wenn Du Dir nicht sicher bist, kannst Du hier gerne einen Reflexionstest machen, um Deine Beziehung zum Essen und zu Deinem Körper einzuschätzen:
2. Welche Einflüsse tragen zur Entstehung von Binge Eating bei?
- Emotionale Herausforderungen: Stress, Angst, Trauer, Wut, Langeweile, Gefühl von Leere und Einsamkeit
- Zu geringes Selbstwertgefühl
-
Verzerrte Selbst- und Körperwahrnehmung
- Genetische Veranlagung
- Wiederholte frühere Diäterfahrungen, Auffälligkeiten des Essverhaltens oder Essstörungen
- Abwertende und negative Kommentare bezüglich des Körpergewichts oder Aussehens, Mobbing
- Elterliche & familiäre Einflüsse: mangelnde Fürsorge in der Kindheit, emotionale Unachtsamkeit, Missbrauch in der Kindheit, Trennungen, Scheidungen
- Verlust enger Bezugspersonen
- Soziale Medien oder sozialer Druck wie z.B. nicht realisierbare Schönheitsnormen, entsprechende Vorbilder, vorgelebte Essgewohnheiten
- Ungleichgewicht von ausgewählten Hormonen und Botenstoffen im Gehirn, welche die Stimmung, den Appetit sowie das Belohnungssystem steuern
Jeder Mensch reagiert auf Ereignisse und Situationen in individueller Weise und nimmt sie auf ganz unterschiedliche Art wahr. Zudem hat jeder spezifische Bedürfnisse, die erfüllt werden dürfen.
Daher ist es für die Behandlung von großer Bedeutung und erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, um auf die individuellen Anliegen der betroffenen Person angemessen einzugehen.
Hinweis: Da die genauen Ursprünge dieser vergleichsweise neuen Bezeichnung als Krankheit zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollständig ergründet sind, lassen sich verschiedene Ursachen für ihre Entstehung identifizieren. Dabei spielen diverse soziale, psychologische und biologische Elemente eine bedeutende Rolle. Daher ähneln sie den Ursachen einer anderen Essstörung.
3. Was führt zu einem Fressanfall? Wieso kommen die Fressattacken immer wieder?
Emotionaler Hunger entsteht oft aufgrund von Stress, Frustration, Langeweile, Angst oder einem Gefühl der Leere.
Folglich sind Fressattacken ein Ausdruck dessen, um diese starken Gefühle wie Angst, Wut, Trauer, Überforderung oder Langweile zu betäuben bzw. zu verdrängen.
Essen ist ein natürliches Bedürfnis von deinem Körper. Indem Sie Ihren Körper mit essenziellen Nährstoffen wie Kohlenhydraten, Eiweißen und Fetten versorgen, haben Sie viel mehr Energie für alltägliche Aufgaben und für das Leben!! Im Falle von Fressattacken geht es weniger darum, deinen Körper mit Energie zu versorgen, vielmehr die emotionalen Gründe. Aus diesem Grund wird weniger aus körperlichen Hunger, sondern viel mehr aus emotionalen Hunger gegessen. Hierbei darf zwischen körperlichem Hunger und emotionalen Hunger unterschieden werden.
Trotz wiederholter Bemühungen, diesen emotionalen Hunger durch Nahrungsmittel zu stillen, breitet sich das Gefühl der Leere weiter aus. Es ist wie als würden Sie versuchen ein riesiges Loch in einem Fass zu füllen, füllen es immer mehr und mehr auf. Doch es scheint sich nicht wirklich zu füllen, trotz der riesigen Mengen. Als würde es nur weiter durchlaufen und hätte keinen Boden. Also ein Fass ohne Boden?
Hinweis: Emotionale Fressattacken können auch aus positiven Emotionen z.b. zur Belohnung, zum Stressabbau oder zur Entspannung genutzt werden. Oft wird angenommen, dass diese Essanfälle spontan auftreten, doch es gibt ebenfalls Betroffene, die bewusst ihren Tagesablauf danach ausrichten. Auch hier erfolgt der Versuch, unangenehme und überwältigende Gefühle zu betäuben und zu verdrängen.
Wenn beispielsweise Betroffene Schwierigkeiten haben, allein zu sein, besteht die Möglichkeit, dass sie nach einem anstrengenden Arbeitstag oder einer herausfordernden Woche vor dem Fernseher sitzen und große Mengen an Nahrungsmitteln konsumieren.
4. Was sind Folgen?
- Verzerrte Körperbildwahrnehmung, dauerhafte Unzufriedenheit im eigenen Körper
- empfänglicher für Diäten
- Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Gefühl der Überlastung, Depression
- Schlafstörungen
- Herausforderungen im familiären Umfeld, Beziehung zu Freunden, zu anderen Bezugspersonen
- finanzielle Herausforderungen
- Rückzug auf sozialen Aktivitäten
- erhöhte Anfälligkeit für Herz-Kreislauf-Krankheiten, Gelenkprobleme
Hinweis: In sehr schweren Fällen besteht die Möglichkeit, dass die Krankheit tödliche Folgen haben kann. Obwohl das Risiko nicht so hoch ist wie bei Magersucht, besteht dennoch die potenzielle Gefahr eines tödlichen Ausgangs.
5. Erste Hilfe Tipps für Dich: Wenn sich der Fressanfall wiederholt
- Nimm an, dass es passiert ist.
- Begegne Dir mit Mitgefühl und Verständnis.
- Reflektiere, was den Fressanfall ausgelöst haben könnte.
- Erlaube Dir deinen vorhandenen Gefühlen Raum zu geben.
Hinweis: Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Genesung besteht darin, Dir bewusst zu machen, was mögliche Auslöser für deine Essanfälle sind und welche Gewohnheiten damit verknüpft sind. Jeden Auslöser, den Du herausfindest, kann Dir dabei helfen zu erkennen, was Du brauchst. Zusätzlich ist es vorteilhaft, alternative Strategien wie Achtsamkeitstechniken zu erarbeiten, um beispielsweise mit herausfordernden und stressigen Situationen umzugehen.
6. Wie kann ich damit langfristig umgehen und aus diesem Kreislauf ausbrechen?
Wie bei den meisten Krankheiten gilt auch hier, dass eine frühzeitige Erkennung und Behandlung die Chancen auf Genesung signifikant erhöht. Für welchen Weg der Genesung du dich letztendlich entscheidest, liegt ganz bei dir, und du darfst diese Unterstützung auch annehmen.
Es erfordert daher persönliche Arbeit an sich selbst, um die Beziehung zum Essen und zum eigenen Körper zu verbessern und zu regenerieren. Diese Herangehensweise sollte auch deine Frage beantworten, ob ein Ernährungsplan bei Binge-Eating hilfreich ist. Ein Ernährungsplan allein wird nicht ausreichen, um die zugrundeliegenden emotionalen Probleme zu bewältigen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein Ernährungsplan als Teil einer ganzheitlichen Behandlung verwendet werden kann, wenn er dir dabei hilft. Dennoch ist es eine ganzheitliche Herangehensweise wichtig, um es zu überwinden.
Die Leere in deinem Herzen und deiner Seele lässt sich nicht durch Essen füllen. Daher ist es von großer Bedeutung, dich selbst besser kennenzulernen, deine Bedürfnisse zu erkennen und wieder zu lernen, wie du sie für Dich ausdrücken kannst. Gleichzeitig ist es wichtig, den Umgang mit negativen Emotionen und Konflikten zu entwickeln.
Einige Möglichkeiten sind:
Psychotherapie (wie Verhaltenstherapie), Klinikaufenthalt, Selbsthilfegruppe, Gruppentherapie, Beratungsstellen in deiner Umgebung
Beratung und individuelle Begleitung
Gerne berate ich Betroffene und ihr Angehörige individuell zu ihrer aktuellen Situation. Wir begleiten ebenfalls im 1:1 und in Gruppen über den gesamten Prozess. Das Ganze wird individuell angepasst, entsprechend der Wünsche und aktuellen Ausgangssituation.