Sportsucht, Bewegungsdrang(-sucht)-
zwischen Leidenschaft und Zwang
Wege zur Leichtigkeit und Fürsorge
Stetiger Drang nach Workouts, Fitness, Bewegung und Essstörung? Wie jetzt?
Sportsucht, Sportzwang und extremer Druck treten häufig im Zusammenhang mit Essstörungen auf, weshalb ich mich heute diesem bedeutenden Thema widme. Gemeinsam mit Dir möchte ich die Gründe, Auswirkungen und Anzeichen der Sportsucht ergründen und Wege aufzeigen, wie Du sie bewältigen kannst.
Hast Du Dich je gefragt, ob Du möglicherweise sportsüchtig bist? Fühlst Du Dich öfters gezwungen, Sport zu treiben, auch wenn Du eigentlich gar nicht möchtest? Könntest Du Dir ein Leben ohne regelmäßiges Training vorstellen? Wenn nicht, warum? Vielleicht spürst Du, dass Deine größte Motivation und Intention viel mehr aus Zwang, Druck, dem Bedürfnis immer Leisten zu müssen bestimmt ist, als von Freude und Leichtigkeit.
Fühlst Du Dich wirklich frei, wenn Du nicht ohne Sport und Bewegung kannst? Wenn Du ins Fitnessstudio gehst, obwohl Du lieber Zeit mit Freunden verbracht hättest? oder häufiger spontane Treffen absagst, weil Du sonst nicht auf deine Schrittzahl oder dein Sportpensum erreichst?
Es ist oft schwer zu erkennen, wo die Grenze zwischen Leidenschaft und Zwang liegt. Ich möchte Dir von Herzen weitergeben: Ich wollte es damals auch nicht wahrhaben. Tue Dir bitte selbst den Gefallen, belüge Dich nicht weiter und sei ehrlich zu Dir.
Ich dachte, für mich wäre Sport & Bewegung die einzige Möglichkeit, um mit negativen Gefühlen umzugehen. Doch ist es das wirklich? Nein. Es wäre ebenfalls gelogen, wenn ich sagen würde: Es ist einfach, da auszubrechen. Nein ist es nicht. Doch das ist kein Grund, um nicht anzufangen oder weiterzumachen.
Hinweis: In einigen Fällen kann eine Sportsucht als Komorbidität bzw. Begleiterscheinung einer Essstörung wie Magersucht, Bulimie oder Binge-Eating auftreten. In diesem Zusammenhang werden sie oft als Anorexia Athletica oder Bulimia Athletica bezeichnet.
1. Was sind Anzeichen für eine Sportsucht?
Hier ist ein Überblick, woran du es erkennen kannst:
- Deine Sporteinheiten sind größtenteils geprägt von Druck & Zwang. Dieses Gefühl immer etwas tun und leisten zu müssen.
- Wenn du mal keinen Sport gemacht oder machen kannst: Fühlst Du dich schuldig, bist oft gereizt, nervös bis hin zu agressiv sein, depressive Episoden, Magen-Darm-Probleme, Schlafstörungen (z.b. in der Nacht öfters aufwachen, um sich zu bewegen etc.)
- das ständige, dauerhafte Bedürfnis dich zu bewegen, deine Leistung immer weiter zu steigern zu müssen
- Dir fällt es schwer deine Leistung anzuerkennen, obwohl du bereits viel tust & machst, doch es scheint nie genug zu sein
- Du hast den Drang, die Länge & Intensität deiner Sporteinheiten immer weiter zu steigern z.B. die Laufwege zu verlängern mit spontanen extra Runden
- die Grundidee, dein Sport-/Bewegungspensum zu verringern löst in dir Stress & Angst aus
- Vernachlässigung von Freunden und Familie: spontanes Absagen von Treffen, weil die Angst hochkommt, Ernährungs-/ Trainingsplan nicht einhalten zu können
- mögliche Konflikte innerhalb der Familie, Freunden, Bekannten, mit Partner/-in bis hin zur sozialen Isolierung
- Versuch der Kompensation, wenn zu viel gegessen wurde, um eine weitere Zunahme zu unterbinden →mögliche Kompensationsstrategie im Zusammenhang mit Formen Bulimie, Binge Eating
- Du machst keine Pausen, obwohl du dich erschöpft & extrem ausgelaugt fühlst. Auch bei Verletzungen oder Krankheit willst du immer weiter trainieren & bist verärgert, weil du nicht weitermachen kannst.
- Sport & Bewegung stehen im Alltag an oberster Stelle: sämtliche andere Aktivitäten werden danach ausgerichtet, dadurch fühlst du dich oft unter Druck gesetzt & gestresst
- Du hast Angst davor die Kontrolle zu verlieren & zuzunehmen, wenn du mal keinen Sport machst oder eine Pause machen musst
- Deine Gedanken kreisen stetig um Kalorien, Gewicht, die nächste Mahlzeit & Sporteinheit
- In dir herrscht oft eine innere Unruhe, Unzufriedenheit & Gefühl überfordert zu sein
- Du hast sehr selbstkritische & ablehnende Gedanken
Ich liebe doch Sport. Es ist mein Hobby. Es ist doch mein Leben. Oder bin ich süchtig danach?
In unserer Gesellschaft wird intensives Training oft hoch angesehen, hochgeschätzt und bewundert, denn Du musst erstmal so eine Leistung erbringen.
Zu Beginn bist du total motiviert, willst immer weitermachen. Gleichzeitig bekommst viele Komplimente, Anerkennung und wirst dafür so bewundert, dass du so durchziehst und diszipliniert bist (Diese Anfänge können mit einer Diät bzw. auch mit einer Magersucht verglichen werden). Das ist auch absolut cool und spornt Dich an weiter so zumachen.
Doch der Grad zwischen einer ausgewogenen Leidenschaft und einer möglichen Sucht ist relativ schmal. Sport hat so viele gesundheitliche Vorteile für dich und für deinen Körper. Keine Frage. Doch es gibt eine Grenze von: Es wird extrem viel und es ist genug. Besonders, wenn sich das Sportpensum übermäßig viel wird, dass du jegliche Pause, jedes Signal deines Körpers komplett ignorierst. Und egal, was tust, du das Gefühl hast, dass es irgendwie nie ausreicht. Nach außen scheint immer alles in Ordnung zu sein. Doch diese selbstzerstörerische und selbst bestrafende Kraft tust Du nur gegen Dich verwenden.
Kurzes Beispiel für Dich: Ich habe diese Grenze komplett überschritten und jeglichen Spaß am Sport verloren, denn es diente am Ende nur einem Zweck.
Hinweis: Die aufgeführten Punkte basieren auf definierten Kriterien als auch auf persönlichen Erfahrungen. Wenn nicht alle diese Kriterien auf Dich zutreffen, bedeutet das nicht zwingend, dass Du keine auffällige Beziehung zum Sport/ Bewegung und zu deinem Körper hast. Die Verhaltensweisen, die bei Betroffenen häufig auftreten, können individuell variieren.
Die Sportsucht kann in zwei mögliche Kategorien unterschieden werden. Allerdings sind diese Kategorien noch nicht im ICD-11- und DSM-5-Verzeichnis offiziell anerkannt. Es gibt die primäre und sekundäre Sportsucht. Die primäre Sportsucht ist eine Verhaltenssucht und zeichnet sich durch die Leidenschaft & Hingabe zum Sport aus, losgelöst von den angestrebten Gewichtszielen oder der Wahrnehmung des eigenen Körpers. Im Gegensatz dazu betrachtet die sekundäre Sportsucht Sport eher als ein Werkzeug, das weniger auf sportliche Leistungen abzielt, sondern vielmehr darauf ausgerichtet ist, Kalorien zu verbrennen oder ein bestimmtes Gewicht zu erzielen. Hört sich das nicht nach ähnlichen Merkmalen wie bei einer Essstörung an?
In solchen Fällen empfehle ich Dir, bei Unsicherheit mit jemand anderem über Deine eventuellen Bedenken zu sprechen. Eine Option wäre, zu einer Beratungsstelle oder Beraterin zu gehen. Dadurch erhältst Du eine zusätzliche Perspektive. Du kannst Dich ebenfalls gerne an mich wenden, wenn Du spezielle Fragen dazu hast. Solltest Du derartige Anzeichen bei Dir bemerken, ist es wichtig, dies nicht zu unterschätzen und du darfst Dir Unterstützung suchen, da dies auf ein auffälliges oder kritisches Verhalten und somit einer ernstzunehmenden Krankheit hindeuten könnte.
Wenn Du überhaupt nicht weißt, wo du am besten Ansätzen sollst. Schaue doch gerne bei diesem Selbstreflexions-Test vorbei, um zu schauen, wo Du gerade stehst und wie Du eine Beziehung zu Dir und Sport, Bewegung einschätzt:
2. Wie kommt es eigentlich zu einer Sportsucht? Welche Ursachen gibt es?
- Emotionale Herausforderungen: Stress, Angst, Trauer, Wut, Langeweile, Gefühl von Leere und Einsamkeit
- Zu geringes Selbstwertgefühl
-
Verzerrte Selbst- und Körperwahrnehmung
- Wiederholte frühere Diäterfahrungen, Auffälligkeiten des Essverhaltens oder Essstörungen
- Abwertende und negative Kommentare bezüglich des Körpergewichts oder Aussehens
- Elterliche & familiäre Einflüsse: mangelnde Fürsorge in der Kindheit, emotionale Unachtsamkeit, Missbrauch in der Kindheit, Trennungen, Scheidungen
- Verlust enger Bezugspersonen
- Soziale Medien oder sozialer Druck wie z.B. nicht realisierbare Schönheitsnormen, entsprechende Vorbilder, vorgelebte Essgewohnheiten
Jeder Mensch reagiert auf Ereignisse und Situationen in individueller Weise und nimmt sie auf ganz unterschiedliche Art wahr. Zudem hat jeder spezifische Bedürfnisse, die erfüllt werden dürfen.
Daher ist es für die Behandlung von großer Bedeutung und erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, um auf die individuellen Anliegen der betroffenen Person angemessen einzugehen.
Hinweis: Da die genauen Ursprünge dieser vergleichsweise neuen Bezeichnung als Krankheit zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollständig ergründet sind, lassen sich verschiedene Ursachen für ihre Entstehung identifizieren. Dabei spielen diverse soziale, psychologische und biologische Elemente eine bedeutende Rolle. Daher ähneln sie den Ursachen einer anderen Essstörung.
4. Was sind Folgen?
Grundsätzlich ist Sport und Bewegung sehr wichtig, um unsere Gesundheit zu unterstützen und resistenter gegenüber Krankheitserregern zu sein. (Es gibt noch weitere tolle gesundheitliche Vorteile, das sind zwei wesentliche). Es ist super total fit, gesund und energiegeladen durch unseren Alltag zu gehen und einfach Dinge zu erleben. Wenn du jedoch exzessiv bzw. übermäßig Sport treibst, kann es sogar zu gesundheitlichen Problemen führen und dich langfristig eher schwächen.
Erste mögliche Warnzeichen deines Körpers:
- extreme Ermüdung, Konzentrationsschwierigkeiten
- extreme Schwäche bis hin sogar zu Ohnmachtsanfällen
- krankheitsanfälliger, kleine Infekte
- Beschwerden, Schmerzen in verschiedenen Bereichen des Körpers z.B. Knie, Hüfte etc.
- mögliche Zerrungen, Überreizung der Muskulatur, Bänder (usw.)
- langanhaltender extremer Muskelkater (längere Regenerationszeit der Muskulatur)
Wenn Du dich in dem einen oder anderen Punkten wiedererkennst, nimm diese an, achte sorgfältig auf diese Signale und gewähre deinem Körper eine angemessene Pause. Vernachlässige keinesfalls die Botschaften, die er dir sendet. Er arbeitet nicht gegen Dich, sondern für Dich. Das ist seine Aufgabe. Ich wollte mir es lange Zeit auch nicht eingestehen, dass ich gefühlt immer “schwächer” wurde, meine Leistungen immer mehr einbrachen, obwohl mein Körper mich förmlich anschrie und so viele Signale gab, dass ich endlich Pause machen sollte.
Was würde passieren, wenn Du langfristig diese körperlichen Signale weiter ignorierst?
auf körperlicher Ebene:
- Hormonstörungen: bei Mädchen, Frauen-Ausbleiben der Periode bis hin zu Menstruationsstörungen; bei Jungen, Männern-Abfall Testosteron*spiegel (*Hormon zum Muskel- und Kraftaufbau, Erhalt Knochendichte, Einfluss Stimmung und Energielevel über den Tag)
- (chronische) Verletzungen wie Sehnenentzündungen, Stressfrakturen, Gelenkproblemen, an Knochen, Bändern, Muskulatur
- geschwächtes Immunsystem (es braucht längere Zeit, um dich vollkommen zu regenerieren)
- hohes Risiko für Osteoporose* bis ins zunehmende Alter bei Frauen & Männern (*instabile, verringerte Knochendichte aufgrund geringer Nahrungszufuhr & Überlastung, dadurch sehr hohe Gefahr zu brechen)
mentale & emotionale Ebene:
- verzerrte Körperbildwahrnehmung (Körperdysmorphie), dauerhafte Unzufriedenheit im eigenen Körper & mit eigener Leistung
- zunehmende Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Gefühl der Überlastung, Depression
- Schlafstörungen
- Herausforderungen im familiären Umfeld
- Beziehung zu Partner/-in, Freunden, zu anderen Bezugspersonen
- Isolation & Vernachlässigung von sozialen Aktivitäten mit Freunden, Familie etc.
- finanzielle Herausforderungen
Hinweis: Ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Genesung besteht darin, Dir bewusst zu machen, was mögliche Auslöser für deinen Sportdrang sind und welche Gewohnheiten damit verknüpft sind. Jeden Auslöser, den Du herausfindest, kann Dir dabei helfen zu erkennen, was Du brauchst. Zusätzlich ist es vorteilhaft, alternative Strategien wie Achtsamkeitstechniken zu erarbeiten, um beispielsweise mit herausfordernden und stressigen Situationen umzugehen.
5. Wie kann ich damit langfristig umgehen, dass mir Sport/ Bewegung wieder Spaß macht?
Wie bei den meisten Krankheiten gilt auch hier, dass eine frühzeitige Erkennung und Behandlung die Chancen auf Genesung signifikant erhöht. Für welchen Weg der Genesung du dich letztendlich entscheidest, liegt ganz bei dir, und du darfst diese Unterstützung auch annehmen.
Es erfordert daher persönliche Arbeit an sich selbst, um die Beziehung zum Sport und zum eigenen Körper zu verbessern und zu regenerieren. Diese Herangehensweise sollte auch deine Frage beantworten, ob ein Trainingsplan bei Sportsucht hilfreich ist. Ein Trainingsplan allein wird nicht ausreichen, um die zugrundeliegenden emotionalen Probleme zu bewältigen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein Trainingsplan als Teil einer ganzheitlichen Behandlung verwendet werden kann, wenn er dir dabei hilft. Dennoch ist es eine ganzheitliche Herangehensweise wichtig, um es zu überwinden.
Die Leere in deinem Herzen und deiner Seele lässt sich nicht durch Sport und Bewegung wiederfüllen. Daher ist es von großer Bedeutung, dich selbst besser kennenzulernen, deine Bedürfnisse zu erkennen und wieder zu lernen, wie du sie für Dich ausdrücken kannst. Gleichzeitig ist es wichtig, den Umgang mit negativen Emotionen und Konflikten zu entwickeln.
Einige Möglichkeiten sind:
Psychotherapie (wie Verhaltenstherapie), Klinikaufenthalt, Selbsthilfegruppe, Gruppentherapie, Beratungsstellen in deiner Umgebung
Wenn Du dich noch mehr informieren willst über andere Essstörungsformen:
Beratung und individuelle Begleitung
Gerne berate ich Betroffene und ihr Angehörige individuell zu ihrer aktuellen Situation. Wir begleiten ebenfalls im 1:1 und in Gruppen über den gesamten Prozess. Das Ganze wird individuell angepasst, entsprechend der Wünsche und aktuellen Ausgangssituation.